Die Beine tun noch weh, aber irgendwie ist da schon wieder ganz viel Lust auf Sport? Was dann: Den Muskelkater auskurieren oder gegen den Schmerz antrainieren? Hier kommt meine Antwort als Sportwissenschaftler.
Autor: Sebastian Priggemeier
Generell ist Muskelkater ein Zeichen des Körpers - ein Warnhinweis, wie jeder andere Schmerz auch. Fitness-Professor Dr. Stephan Geisler von der IST-Hochschule in Düsseldorf vergleicht den Muskelkater gerne mit einem Warnschild im Straßenverkehr: "Achtung, Baustelle!" würde auf dem Schild stehen. Der Vergleich ist großartig, denn, wie im Straßenverkehr, wäre dieser Baustellen-Bereich im besten Fall abgesperrt - also geschützt, damit die Bauarbeiten an der beschädigten (Körper)Stelle ungestört weitergehen können.
Wie entsteht Muskelkater überhaupt?
Ein Muskelkater tritt normalerweise ungefähr 24 Stunden nach einer überharten Trainingseinheit auf. Die Muskeln schmerzen dort, wo die körperliche Belastung am größten war - wer im Fitnessstudio hauptsächlich die Brustmuskeln trainiert hat, wird am nächsten Tag die Brustmuskeln spüren. Die Muskulatur schmerzt leicht, weil es durch das harte Training zu Mikroverletzungen im Gewebe gekommen ist - diese Mikroverletzungen repariert der Körper in der Phase nach der Trainingseinheit.
>> Wenn ihr dem Körper dabei Ruhe gönnt (remember: abgesperrte Baustelle), kommt es zu einem beinahe magischen Effekt: Zur sogenannten "Superkompensation". Das bedeutet, der Muskel wurde in der Pausenphase von 48 bis 72 Stunden nicht nur repariert, er ist dann auch gaaaanz leicht dicker und stärker als vor der letzten Trainingseinheit, damit er für das nächste harte Training bereit ist.
Sollte man mit Muskelkater Sport machen?
Fakt ist: Der schmerzende Bereich der Muskulatur braucht eine Pause, um zu regenerieren. Das bedeutet aber nicht, dass ihr gar keinen Sport treiben dürft - denn oft ist nur ein bestimmter Bereich des Körpers vom Muskelkater betroffen, beispielsweise die Brust oder die Beine. In dem Fall könnt ihr durchaus am Muskelkater-Tag einen anderen Körperbereich trainieren - zum Beispiel den Rücken oder andere Muskelgruppen, in denen ihr keine Schmerzen habt (etwa die Arme oder die Schultern). Wichtig ist nur, dass ihr der Muskelgruppe, in der der Muskelkater spürbar ist, eine Trainingspause gönnt - und zwar 48 bis 72 Stunden lang.
Split-Training macht Muskelkater-Sport möglich
Die Sportwissenschaft hat übrigens auch eine Lösung für alle, die gerne an so vielen Tagen wie möglich Sport treiben: Das sogenannte Split-Training. Kurz gesagt ist das Split-Training das Gegenteil vom Ganzkörpertraining, ihr trainiert beim Split-Training nämlich gezielt nur bestimmte Muskelgruppen - und am folgenden Tag andere Muskelgruppen, damit die zuvor trainierten Muskeln vollständig regenerieren können.
Ein Beispiel für eine sinnvolle Split-Trainingswoche:
- Montag - Fokus Brust und Rücken (je 3 Übungen für jede Muskelgruppe)
- Dienstag - Fokus auf Beine und Schultern (je 3 Übungen)
- Freitag - Brust und Rücken (je drei Übungen)
- Samstag - Beine und Schultern (je drei Übungen)
>> Noch mehr Trainingspläne und weitere Muskelaufbau-Hintergrundinfos findet ihr in Stephan Geislers Buch "Hypertrophietraining"* oder in meinem Buch "Der Hardgainer-Guide"*, das ich für Men's Health geschrieben habe.
Durch ein Split-Training sind deutlich mehr Trainingstage möglich als beim klassischen Ganzkörpertraining, das beispielsweise Montag, Mittwoch und Samstag stattfinden könnte (und ebenfalls effektiv ist). Übrigens ist ein Split-Training auch beim Cardio-Workout möglich, indem unterschiedliche Trainingsschwerpunkte gesetzt werden, beispielsweise:
- Montag - langer Lauf (Schwerpunkt Grundlagenausdauer)
- Dienstag - Techniktraining
- Donnerstag - Sprint-Training
- Samstag - mittellanger Regenerationslauf
Wichtig ist aber auch dabei, der am stärksten belasteten Muskelgruppe ausreichend Pausen zu gönnen - in diesem Fall der Beinmuskulatur. Echte Trainingsfortschritte sind nur durch regelmäßige Regeneration möglich, ansonsten rutscht ihr in ein Übertraining und die Leistungsfähigkeit sinkt immer weiter. Wenn ein stark belasteter Körper keine Pausen bekommt, dann nimmt er sich die Pausen, entweder in Form von Infekten oder durch Überlastungsverletzungen wie Sehnenreizungen und ernsteren Muskelverletzungen, die im Zweifel wochenlang auskuriert werden müssen. Also: Hört auf euren Körper!
Welche Belastung ist trotz Muskelkater ok?
Das Lauftraining gestern war ultrahart und heute tun die Beine weh? Dann ist Workout-Pause angesagt, aber ihr könnt durchaus einen entspannten Spaziergang machen. Leichte und sanfte Bewegung hilft dem Körper sogar, weil die geschädigte Muskulatur dadurch verstärkt durchblutet wird, was die Versorgungslage der Muskulatur verbessert und den Abtransport von geschädigtem Material beschleunigt. Einen ähnlichen Effekt haben auch sanfte Massagen. Tut euch einfach etwas Gutes, um schnell wieder leistungsfähig zu sein. Wenn ihr denn wirklich Lust auf so viel Sport habt, denn auch der Kopf spielt eine wichtige Rolle bei der Regeneration.
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