Sollten Schwangere weiter ins Fitnessstudio gehen oder ist Krafttraining während der Schwangerschaft tabu? Sportwissenschaftler und Mediziner sind sich einig, dass leichtes bis moderates Krafttraining sinnvoll ist und sogar Vorteile bringt. Inwiefern Schwangere von Übungen mit Hanteln oder dem eigenen Körpergewicht profitieren, was beim Workout in der Schwangerschaft zu beachten ist und welche Übungen ok sind (zum Beispiel beim Bauchmuskeltraining)? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema findet ihr hier.
Autor: Sebastian Priggemeier
Die Fitness-Formel für Schwangere: leichtere Gewichte, mehr Wiederholungen
Experten der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) haben sich ziemlich umfassend zu Sport in der Schwangerschaft geäußert - und es gibt immer neue Studien zu Kraft- oder Ausdauertraining für werdende Mütter. Fazit: Krafttraining ist sinnvoll, wenn es mit leichteren Gewichten und höheren Wiederholungszahlen betrieben wird (die DSHS-Experten empfehlen 20 bis 30 Wiederholungen pro Satz).
Die Vorteile dabei:
- Auch mit geringen Gewichten sind starke Trainingseffekte drin
- und die Übungen lassen sich kontrollierter ausführen
"Insbesondere die Stärkung der Muskelpartien von Bauch, Rücken und Beckenboden ist für die schwangere Frau besonders wichtig", heißt es im DSHS-Informations-Portal "Sport und Schwangerschaft". Auch die Ärztin Dr. Nina Sander rät Schwangeren zu einem lockeren Krafttraining. "Die Stärkung der Muskulatur ist für die anstehende Geburt von Vorteil. Auch Herz-Kreislauf-Problemen im Wochenbett kann vorgebeugt werden", erklärt sie im Buch "Fit durch die Schwangerschaft"*, das sie zusammen mit Diplom-Sportwissenschaftlerin und TV-Moderatorin Anna Kraft geschrieben hat.
>> Das Online-Fitnessstudio Gymondo bietet diverse Video-Workouts für Schwangere*
Wichtig ist, dass die Schwangerschaft keine Zeit für sportliche Extreme ist. Jede Schwangere sollte sich VOR dem ersten Workout das Ok ihres Arztes oder ihrer Ärztin holen, denn es gibt auch Einschränkungen, bei denen von Krafttraining abzuraten ist - beispielsweise Diabetes, Bluthochdruck oder Komplikationen bei früheren Schwangerschaften. Für komplette Sportanfängerinnen ist ein Einstieg über Pränatalkurse sinnvoll oder ein Personal-Trainer mit Schwerpunkt Schwangeren-Begleitung (es ist wichtig, dass die Übungen technisch sauber durchgeführt werden).
5 WORKOUT-GRUNDREGELN FÜR SCHWANGERE:
- Eine aufrechte Körperhaltung ist bei den meisten Übungen mit Gewichten sinnvoll,
- hastige Bewegungen vermeiden - vor allem welche, die den Beckenboden belasten
- die optimale Atemtechnik: bei Belastung ausatmen (Eselsbrücke: das Gewicht wegpusten), bei Entlastung einatmen
- Zwischen den einzelnen Krafttrainingseinheiten 24 Stunden Erholungsphase einplanen
- Ab dem dritten Schwangerschafts-Trimester keine Übungen mehr in Rückenlage durchziehen - sonst kann die Gebärmutter den Blutrückfluss zum Herzen behindern und es drohen Kreislaufprobleme (besser im Sitzen, in Seitenlage oder im Stehen trainieren)
Gute Übungen für das Krafttraining in der Schwangerschaft
Je nach Phase der Schwangerschaft sind unterschiedliche Übungen möglich, schließlich entwickeln sich Körper und Babybauch immer weiter. Darauf sollte bei der Ausrichtung des Trainings Rücksicht genommen werden. Die hier vorgestellten Übungs-Empfehlungen sind aus dem Buch "Fit durch die Schwangerschaft"*, in dem ihr komplette Workouts, begleitende Tipps der Frauenärztin Dr. Nina Sander und praktische Selbsttests für Schwangere findet.
>> FITNESS-ÜBUNGEN FÜR DAS 1. TRIMESTER
In dieser Phase ist ein Schwerpunkt auf Beine, Po und Rücken sinnvoll. Anna Kraft und Nina Sander empfehlen bei den meisten Übungen 8 bis 12 Wiederholungen, die Deutsche Sporthochschule rät eher zu 20 Wiederholungen - ein sinnvoller Kompromiss wären aus meiner Sicht 15 bis 20 Wiederholungen pro Satz im ersten und zweiten Trimester.
Ausfallschritte nach hinten (8 bis 12 Wiederholungen pro Bein),
Kniebeuge auf Zehenspitzen (8 - 10 Wdh.),
Beinlift im Vierfüßlerstand (12 - 15 Wdh. pro Bein),
Kurzhantelrudern (8 - 10 Wdh. mit leichter Hantel),
Frontheben mit Kurzhanteln (8 - 10 Wdh.),
Dips am Stuhl (8 - 10 Wdh.),
Bizeps-Curls (8 - 10 Wdh.)
>> FITNESS-ÜBUNGEN FÜR DAS 2. TRIMESTER
Der Babybauch ist schon leicht gewölbt, der Schwerpunkt des Trainings liegt weiter auf Beinen, Po und Rücken.
Kniebeuge mit Theraband* (6 - 8 Wdh.),
Beinlift im Stehen mit Band (6 - 8 Wdh. pro Bein),
seitlicher Beinlift im Liegen (10 - 12 Wdh. pro Bein),
Sumo-Gang (6 - 8 Schritte in jede Richtung),
Reverse Plank (8 - 12 Sekunden halten),
Dips am Boden (8 - 10 Wdh.),
Yoga-Kindshaltung (15 - 20 Sekunden halten)
>> FITNESS-ÜBUNGEN FÜR DAS 3. TRIMESTER
Das letzte Drittel der Schwangerschaft ist körperlich besonders anstrengend, darum ist das Training eher ein besseres Warm-up. Falls euch bei einer der Übungen schlecht oder schwindelig wird - direkt abbrechen.
Beckenkreisen (5 Wdh. im Uhrzeigersinn, 5 dagegen),
Bein-Achter (8 - 10 Wdh. pro Bein),
Katzenbuckel/Hohlrücken (jede Position 10 Mal für 3 - 4 Sekunden halten),
Tiefe Hocke (10 - 20 Sekunden halten, gerne wiederholen),
Oberkörperdrehung (je 2 Mal 5 Rotationen nach rechts und nach links)
Neben Krafttraining im Fitnessstudio sind für Schwangere auch diese Sportarten mit Kraft-Anteilen zu empfehlen:
- Yoga für Schwangere
- Pilates
- Wassergymnastik
Bauchmuskeltraining in der Schwangerschaft? Ja, aber richtig
Ungefähr bis zur 20. Schwangerschaftswoche kann die gerade Bauchmuskulatur gezielt trainiert - solange sich der Bauch noch nicht wölbt. Danach nicht mehr. Sit-ups und Crunches sind mit Babybauch tabu. Denn wenn der Bauch sich wölbt, bildet sich die Rectusdiastase - ein Spalt, der mittig zwischen den Sixpack-Segmenten der geraden Bauchmuskulatur verläuft. Diese Spalte ist übrigens gut zu ertasten: Einfach auf den Rücken legen, den Kopf anheben und mit den Fingern vom Bauchnabel abwärts fühlen. Durch Übungen für die gerade Bauchmuskulatur können sich die Muskelpartien links und rechts der Rectusdiastase zu stark auseinander entwickeln.
Was weiterhin geht und sinnvoll ist, sind Übungen für die schräge Bauchmuskulatur, denn die trainieren gleichzeitig auch den Beckenboden. Praktisch ist, dass bei fast allen funktionellen Krafttrainings-Übungen im Stehen automatisch die tiefen Bauchmuskeln gestärkt werden, die den Rumpf stabilisieren und mit dem Beckenboden verdrahtet sind.
Crossfit in der Schwangerschaft?
Von dieser Krafttrainings-Art raten die Experten der Deutschen Sporthochschule ab - zu anstrengend und zu viele potenziell riskante Bewegungen. Ein "Auspowern" innerhalb kürzester Zeit ist während der Schwangerschaft nicht sinnvoll, weil die Schwangerschaft an sich schon eine Höchstleistung für den Körper ist. Ob werdende Mütter joggen sollten? Dazu gibt es hier einen umfassenden Artikel.
Wichtig ist deshalb, dass ihr euch während der kompletten Schwangerschaft mit eurem Arzt oder der Ärztin absprecht, was in Sachen Sport noch möglich ist. Dieser Artikel ersetzt keine ärztliche Beratung, denn euer Zustand kann sich jederzeit ändern und Anpassungen erforderlich machen.
WEITERE BUCH-TIPPS:
"Fitness für Schwangere: Das perfekte Training"* von Julia di Paolo (Riva-Verlag),
"Mom in Balance: Fit und aktiv durch die Schwangerschaft"* von Esther van Diepen (Heel)
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